Sonntag, 8. April 2012

Kaputt

'Ja, klar. Nur, wir müssen heute Abend mal mit euch reden.' 'Ist was passiert ?' 'Sozusagen...'


Das Telefon klingelte und ich ging dran. Es war meine Trainerin die mir mitteilen wollte, dass das Training heute ausfällt.
Es war punkt halb drei, als Jessy vor der Tür stand. Ich öffnete ihr die Tür und begrüßte sie mit einem Lächeln und erzählte ihr, dass mein Training heute leider ausfällt. Sie lächelte zurück, war zwar ein bisschen traurig aber schließlich umarmte sie mich. Dann begann sie drauf los zu schwätzen und ich hörte ihr gespannt zu und zwischendurch, als sie mich mal zu Wort kommen lies, kam ein Ja oder ein Mhm, ach so von mir aus. Nach circa einer Stunde beschloss ich zu fragen, ob wir was unternehmen wollten, wie zum Beispiel Kino. Sie stimmte sofort ein und erzählte dann weiter und hörte erst auf, als der Film begonnen hatte. Ich war froh, dass sie endlich mal ruhig war. Ich war schon lange nicht mehr der Mensch, der ich einmal war. Der Mensch, der ich war, als er noch bei mir war. Ich war früher viel offener und spontaner und unternehmungslustiger. Ich war gerne unter Menschen und redete selber sehr viel, weshalb ich auch oft im Unterricht raus geflogen bin, aber ich lies auch gerne andere Menschen reden, hörte immer zu und gab Tipps, wie ich es selber machen würde, oder man etwas verbessern konnte. Diese Person war ich schon lange nicht mehr ! Ich war viel drin, redete nur mit den Menschen, die ich kannte und zu denen ich eine feste Bindung hatte. Die Angst davor, noch einmal so enttäuscht zu werden, war einfach zu groß ! Ich war auch lange nicht mehr so verrückt wie früher, als ich durch die Straßen gerannt bin wie eine Irre und fremden Leuten Hallo gesagt habe, oder einfach angesprochen habe. Wo ich durch die Straßen irgendwelche sinnlosen Sachen geschrieen habe und wohl möglich alle dachten, dass ich bescheuert wäre, es mir aber egal war, weil ich einfach nur meinen Spaß haben wollte und das Leben in vollen Zügen genießen wollte. Ich wollte frei sein und das war ich auch. Ich war eigentlich immer glücklich und vor allem blühte ich auf, wenn Sebastian bei mir war. In seiner Gegenwart war ich sicher. Er gab mir halt und das Gefühl besonders zu sein. Ich habe mich immer schon gefragt wieso er sich ausgerechnet in mich verliebt hatte ! Ich weiß nicht wie andere das sahen, aber ich finde, ich bei einfach nur ein normales, durchschnittliches Mädchen. Nicht besonders auffällig, es sei denn, ich rannte wieder durch die Straßen und schrie irgendetwas, und nicht besonders hübsch. Also so sah ich es. Ich fand mich selber nicht hässlich, aber ich fand mich auch nicht umwerfend ! Ich habe zwar schon von ein paar Leuten gehört, dass sie mich hübsch finden, aber in der Regel nur von meinen Freunden oder Erwachsenen. Aber Basti sagte mir immer, ich sei etwas besonderes. Ich sei das schönste Mädchen was er jemals gesehen hatte und am schönsten sei ich, wenn ich lache. Er machte mir oft und gerne Komplimente und das schmeichelte mir sehr. Ich fühlte mich dann immer für den kleinen Moment wie eine Prinzessin die ihren Märchenprinz gefunden hat. In dem Moment war ich immer das glücklichste Mädchen der Welt. Aber das war mal. Ich habe mich zurückgezogen und lebte für mich in meiner eigenen Welt. Ich fraß alles was mich bedrückte in mich hinein und redete kaum mit jemandem über meine Probleme. Ich war lange nicht mehr das selbstbewusste Mädchen, dass ich vor einer kurzen Zeit noch war. 
Ich war froh als der Film zu ende war und ich nach Hause konnte. Die ganze Zeit fragt ich mich, was meine Mutter uns so wichtiges sagen wollte. 'Du Jessy, du müsstest jetzt nach Hause, weil meine Mutter noch was mit uns besprechen wollte.' 'Ja, geht klar. ich nehm dann von hier den Bus.' 'Ok.' Ich wartete noch mit ihr auf den Bus und wir unterhielten uns solange über den Film. Fünf Minuten bevor der Bus kam, konnte ich nciht anders und fragte Jessy nach Basti. 'Hat Basti eigentlich noch was über mich gesagt ? Und wieso gehst du ausgerechnet mit ihm zum Schulball ?' 'Ja, das hat er. Er liebt dich immer noch sehr und vermisst dich, aber er versucht damit klar zu kommen. Er erträgt es nicht dich zu sehen und zu wissen, das war einmal. Du gehörst nicht mehr ihm. Und wieso, das wirst du am Abend des Schulballs erfahren. (;' Sie zwinkerte mir zu und dann kam auch schon der Bus. Sie umarmte mich noch schnell und verabschiedete sich mit den Worten 'Ich ruf dich in den nächsten Tagen an und sonst schreiben wir.' Ich nickte ihr zu und ging dann. Ich wohne nicht weit vom Kino weg also konnte ich gut zu Fuß gehen. 
Zuhause warteten mein Bruder und meine Mutter schon auf mich. Sie machte ein bedrücktes Gesicht und wir setzten uns gemeinsam ins Wohnzimmer. Sie fing an zu reden. 'Ihr wisst ja, dass euer Vater schon vorzeitig nach Amerika geflogen ist..' 'Nein, wusste ich nicht.' entgegnete ich. 'Oh, tut mir leid, aber ich hatte dann wohl vergessen es dir zu sagen.' 'Nicht schlimm. Ich konnte mich ja gar nicht richtig verabschieden.. Egal, ich seh ihn ja wieder.' Sie fuhr fort. 'Also Kinder, euer Vater..' Sie brach in Tränen aus. Luca und ich nahmen sie und den Arm und ich flüsterte ihr nervös, aber mit einer ruhigen Stimme zu: 'Was ist los, Mama. Sag es uns.' 'Euer Vater... Ich weiß nicht wie ich es sagen soll..' 'Hat er eine andere ?! Lasst ihr euch scheiden ?!' sagte Luca und versuchte dabei ruhig zu sein und diese Vorstellung schnell wieder aus seinen Gedanken zu verbannen. 'Nein, um Himmelswillen ! Er, er ist krank...' sie schluckte und Luca und ich warteten bis sie weiter Sprach. 'Euer Vater hat Krebs. Darmkrebs um genau zu sein. Wir wissen es seit letzter Woche und er wollte nicht dabei sein wenn ich es euch sage, weil er nicht sehen wollte wie wir alle darunter leiden. Er muss bald zu Chemo. Ich weiß, es wird jetzt nicht leicht für euch, aber er will, dass ihr ihn wie früher behandelt. Und vor allem du Selina. Du sollst ihn weiterhin wie deinen besten Freund oder wie deinen Teddybär behandeln. Er will, dass du einfach weiterhin sein kleines Mädchen sein wirst.' 'Aber ich kann nicht einfach so tun als wäre nichts ! Ich brauche ihn doch ! Und außerdem werde ich immer sein kleines Mädchen bleiben !' Ich wusste nicht wie ich damit umgehen sollte. Ich war schon immer ein Papa-Kind gewesen und er war mein bester Freund. Früher als ich noch kleines Mädchen war und immer auf seinem Bauch rum gehüpft bin und dabei 'Krümel ! Krümel !' geschrieen habe, weil ich ihn immer so nannte, und er mich anschließen Abends ins Bett gebracht hat, habe ich einmal meinen Kuschel-Hund in der Hand gehabt und an mich gepresst und dann auf diesen riesigen Teddy geguckt, der neben meinem Bett stand und gesagt: 'Papa ? Jetzt weiß ich wie ich den Bär nenne. Krümel.' ich kicherte. 'Weil du mein Krümel bist.' Ich weiß noch genau wie er mich in dem Moment angesehen hatte. Voller Stolz und seine Augen funkelten wie die Sterne. Er lächelte und ich meine, er hatte Tränen in den Augen ! 'Ich bin dein großer Teddybär. Waaaah, waaaah !' sagte er und ich musste lachen. Dann schlief ich ein, während er mir durch die Haare ging und anschließend einen Kuss auf die Wange gab. Ich hörte noch wie er sagt: 'Ich liebe dich, meine kleine Prinzessin.' Diesen Abend werde ich nie vergessen ! Wortlos stand ich auf und ging in die Küche um mir etwas zu trinken zu holen. Dann ging ich runter in den Keller. Ich hatte den Teddybär immer noch aufbewahrt und immer wenn etwas passiert war, suchte ich ihn. Also nicht immer. Normalerweise kam dann mein Papa runter und nahm mich einfach nur in den Arm. Er wusste genau wann er was sagen musste und wann es richtig war zu schweigen. Ich fand den Teddy schließlich und nahm ihn fest in den Arm. Ich erzählte ihm was gerade passiert ist und während ich darüber nach dachte, fing ich an zu weinen. So saß ich da dann ein viertel Stunde. Als ich hoch ging, beschloss ich den Teddy mitzunehmen. Ich brachte ihn in mein Zimmer und stellte ihn genau an die gleiche Stelle wo er damals an jenem Abend stand. Ich stand jetzt mitten in meinem Zimmer. Es war zwar aufgeräumt, aber in Wirklichkeit stand ich in den Trümmern meines Lebens ! Es fing alles an mit der zerbrochenen Beziehung. Dann die Sache mit Paul Roman. Als ich das erste mal im Krankenhaus war. Dann als ich abgehauen bin. Der zweite Krankenhausbesuch. Der Streit mit Jessy. Und jetzt mein Vater ?! Wieso er ?! Ich saß auf dem Boden und zitterte am ganzen Körper. Ich brauche ihn jetzt so ! Hier, bei mir ! Ich hatte alles verloren, was ich einmal hatte. ALLES ! Ich stand auf und beschloss mich bett fertig zu machen. 20 Minuten später lag ich dann im Bett und dachte nach. Ich musste wieder weinen. Ich glaube, ich habe heute schon 3 Packungen Taschentücher verbraucht. 
In meinem Kopf kreiste sich alles nur noch um eins : PAPA. Ich stand auf, mit dem Teddy, einem Paket Taschentücher und meinem Kuschel-Hund im Gepäck ging ich rüber zu Luca und klopfte vorsichtig an die Tür. Eine zittrige Stimme sagte leise 'Herein.' Ich öffnete die Tür und sah wie Luca auf seinem Bett saß, mit einem Foto in der Hand und weinte. Er weinte und weinte.... Ich konnte nicht mehr. Er auch nicht. Es war alles kaputt !

3 Kommentare:

  1. omg richtig traurig :(
    ich hatte sogar tränen in den augen :o
    richtig gut geschrieben weiter so <33

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  2. ooooh gott, wie traurig ._.
    schoen geschrieben :)

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  3. Aaaaah, süüüüüüüüß (: :*
    Danke sehr (:

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